Das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gilt für alle Menschen

Heute früh muss ich als Meldung der dpa lesen: „Wagenknecht: Keine Leistungen für abgelehnte Asylbewerber“. Sind die Grundsätze unserer Verfassung wirklich so schwer zu verstehen? Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat und die Würde des Menschen ist hierzulande unantastbar, unabhängig vom Aufenthaltsstatus.

Wahrscheinlich kann es nicht oft genug gesagt werden: Das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gehört zum unabänderlichen Kern der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Es gilt für alle Menschen ohne Unterschied.

Mit dem Bundesverfassungsgericht gesprochen: „Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums […]. Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht. […] Das Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu.“ (Quelle: Urteil des BVerfG vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10)

Warum kommen von Links, von Rechts und aus der politischen Mitte (siehe die Äußerungen von Jens Spahn) trotzdem immer wieder Vorschläge, die den Kern unserer Verfassung missachten?

Nochmal: Auch die Würde abgelehnter Asylsuchender ist unantastbar. Sie haben wie alle anderen das Recht, in Würde zu Leben. Wer sich die Mittel dafür mangels Arbeitserlaubnis nicht selbst beschaffen darf, muss sie eben vom Staat bekommen. Das ist doch nicht kompliziert.

Nein, das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum kann nicht aus dem Grundgesetz gestrichen werden

Sehr geehrter Herr Spahn, sehr geehrter Herr Merz, sehr geehrte Damen und Herren,

in einer Meldung der dpa ist heute am 14.01.2024 zu lesen: „Unionsfraktionsvize Jens Spahn hat eine Verfassungsänderung für schärfere Sanktionen beim Bürgergeld angeregt. „Menschen, die arbeiten können und ein Jobangebot erhalten, dies aber nicht annehmen, sollten im Grunde kein Bürgergeld mehr bekommen“, sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Wenn hier eine generelle Streichung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gedeckt ist, sollten wir eben die Verfassung ändern“, betonte Spahn.“

Das Bundesverfassungsgericht stützt seine Entscheidung auf Normen des Grundgesetzes, die eben nicht änderbar sind, sondern den Kern der freiheitlich demokratischen Grundordnung ausmachen. Ich zitiere die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05. November 2019 zum Aktenzeichen 1 BvL 7/16:

„Die zentralen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung staatlicher Grundsicherungsleistungen ergeben sich aus der grundrechtlichen Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG). Gesichert werden muss einheitlich die physische und soziokulturelle Existenz. Die den Anspruch fundierende Menschenwürde steht allen zu und geht selbst durch vermeintlich „unwürdiges“ Verhalten nicht verloren.“

Die sogenannte Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes steht in Artikel 79 Abs. 3 GG: „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“

Herr Spahn, Sie rufen dazu auf, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beseitigen, gerade in der Situation, dass diese so gefährdet ist, wie nie zuvor. Herr Spahn, das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

Herr Merz, sehr geehrte Damen und Herren in der CDU: Diese Äußerung von Herrn Spahn muss Konsequenzen haben. Wer sich derartig äußert, hat in der Union nichts zu suchen.

Mit freundlichen Grüßen

Luisa Milazzo, Rechtsanwältin

Jens Spahn fordert eine Verfassungsänderung, die wegen der Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes nicht möglich ist.

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