Sanktionen wegen krankheitsbedingter Schusseligkeit?

SG Detmold: Jobcenter-Meldeversäumnis wegen AD(H)S bleibt sanktionsfrei

Für Menschen mit psychischen Problemen ist es oft schwer oder sogar überfordernd, die Anforderungen zu erfüllen, die das Jobcenter stellt, damit die Sozialleistungen ausgezahlt werden. Wer die Anforderungen nicht erfüllt, bekommt oft weniger Geld. Manchmal werden auch Leistungen komplett gestrichen oder zunächst einbehalten. Doch wer wirklich krankheitsbedingt, trotz aller möglichen Anstrengungen, es nicht schafft, zu tun, was verlangt wird, kann sich gegen Sanktionen und Einstellung von Leistungen wehren!

 

Dies zeigt eine Entscheidung des Sozialgerichts Detmold: Im Urteil vom 24. August 2010 mit dem Aktenzeichen S 8 AS 302/09 hat das Gericht sinngemäß entschieden, dass eine Sanktion wegen eines verschusselten Termins beim Jobcenter zurückgenommen werden musste. Denn der Kläger litt unter AD(H)S und hatte sich den Termin falsch im Kalender notiert.
Wer schon einmal Leistungen nach dem SGB II, also das sogenannte Hartz IV beantragt hat, wird es wissen: Die Antragstellung ist schwierig und macht viel Arbeit, denn viele Unterlagen müssen beschafft und eingereicht werden, Termine müssen wahrgenommen werden, eine bestimmte Anzahl von Bewerbungen müssen geschrieben werden usw..
Wer einen Termin nicht einhält oder Unterlagen nicht oder nicht rechtzeitig abgibt, hat mit Ärger zu rechnen. Das Jobcenter sanktioniert zum Beispiel häufig wegen sogenannter Meldeverstöße, das heißt, wer einen Termin verpasst hat, dem wird die Leistung gekürzt. Das Geld, das lediglich dazu dient, das Existenzminimum zu sichern, wird nicht mehr in voller Höhe gezahlt. Die Folgen solcher Sanktionen sind oft gravierend, denn es fehlt den Betroffenen dann meist am Nötigsten.
Wer geforderte Unterlagen nicht termingerecht einreicht, bekommt erst einmal kein Geld. Die Leistungen werden wegen Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht ganz oder teilweise versagt und können nur eventuell später nachgezahlt werden, wenn die Unterlagen nachgereicht werden.
Wer gar Änderungen in den finanziellen oder persönlichen Verhältnissen beim Jobcenter erst verspätet meldet wird vom Amt zur Rückzahlung erhaltener Leistungen aufgefordert und bekommt nicht selten sogar ein Strafverfahren wegen Sozialleistungsbetrug.
Schusseligkeit oder Überforderung durch psychische Krankheit werden als Gründe nicht akzeptiert. Es wird unterstellt, man habe den entsprechenden Fehler vorsätzlich oder fahrlässig, jedenfalls vorwerfbar gemacht.
Wer wirklich krankheitsbedingt etwas falsch gemacht hat und dennoch Ärger vom Amt bekommt, sollte das nicht hinnehmen, sondern sich umgehend rechtsanwaltliche Hilfe holen und vor dem Sozialgericht klagen.
Krankheit entschuldigt nicht mangelnde Sorgfalt und schon gar nicht Unwillen, aber wer etwas wirklich nicht kann, kann sich dagegen wehren, dass dies nicht geglaubt oder nicht als Entschuldigung akzeptiert wird. Oft wird es nur nicht geglaubt, weil unsere Gesellschaft schlecht über psychische Krankheiten aufgeklärt ist.

Trauen Sie sich, sich zu wehren! Damit helfen Sie nicht nur sich, sondern auch anderen Betroffenen.

3 Gedanken zu „Sanktionen wegen krankheitsbedingter Schusseligkeit?

  1. Na, Andreas! Das muss nicht sein eine so gute Entscheidung und diese Grundlage für die Anerkennung der ADHS Syndromstörungen auch wieder nur schlecht zu reden.

    Ich finds gut denn das zeigt das es sich lohnt manchmal bei strittigen Fragen das Gerichtsverfahren zu wählen und nicht den Kopf in den Sand zu stecken!

    Also Leute! Wenn bei euch grad sowas schief lief, dann klagen! Erstmal fair offen mit dem Jobcenter reden, alle Belege vom Facharzt mitbringen, vielleicht kriegt ihr euch eine Erklärung des Facharztes, das es typisch ist für ADHSler Terminschusseligkeit an den Tag zu legen, einfach mal versuchen und wenn das nicht hilft Klageweg beschreiten!

    Es kann sich lohnen wie dieser Fall hier deutlich unterstreicht!

    VIel Erfolg und danke Frau L. Milazzo für die Information!

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